Wohnquartiere aufwerten
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In den Städten wird eine breite Palette von Maßnahmen und Konzepten zur Verbesserung der Sicherheit im öffentlichen Raum eingesetzt. Dabei gibt es in Europa jeweils unterschiedliche Ansätze städtebaulicher Kriminalprävention.
Ein Raum kann kriminalitätshemmend und auch Schutz bietender Raum sein. Diese Erkenntnis entwickelte sich bereits in den 1970er Jahren durch den Architekten Oscar Newman, der vor allem durch sein Werk „Defensible Space“ bekannt wurde, das bis heute Gegenstand der Diskussion ist. Qualitäten wurden dabei unter anderem in klaren Abgrenzungen zwischen privaten und öffentlichen Bereichen, Orientierung sowie Nutzungs- und Nutzerdichte definiert. Diese Grundlagen wurden in den Folgejahren vor allem im angelsächsischen Raum über den Ansatz „Crime Prevention Through Environmental Design“ (CPTED) ausgebaut.
Ein in der Folge versuchter europäischer Normierungsversuch (DIN EN 14383-2 Vorbeugende Kriminalitätsbekämpfung - Stadtplanung und Gebäudeplanung) wurde von einigen europäischen Ländern abgelehnt und zu einem Technical Report zurückgestuft. Kritisiert wurden vor allem gleichmachende Argumente, die die Divergenz unterschiedlicher Räume missachteten. So sind unterschiedliche Ansätze städtebaulicher Kriminalprävention entstanden: In Großbritannien wird beispielsweise ein designorientierter Ansatz (Design Led Crime) bevorzugt, in den Niederlanden konnte ein Siegel zum „veilig wonen“ (sicheres Wohnen) entwickelt werden und in Österreich erfolgt die Einbindung sicherheitsrelevanter Maßnahmen über einen sozialräumlichen Ansatz und die Gender Mainstreaming Strategie.
Die Aussage, dass Kriminalität in Abhängigkeit zur Gestaltung des Raumes steht, wird allerdings auch deutlich kritisiert: Einerseits wegen ihrer vereinfachten kausalen Verbindung von Raum und abweichendem Verhalten und andererseits wegen der Betonung baulich-räumlicher gegenüber sozialen Lösungen.
In den letzten Jahren gab es daher Versuche, sowohl baulich-räumliche als auch soziale Aspekte bei der Betrachtung der Sicherheit in Quartieren zu verbinden. In einer modellhaften Form wurde dies etwa im Rahmen von evidenzbasierten lokalen Sicherheitsanalysen (ELSA) durch das BKA verwirklicht.
Kommunale Sicherheitspolitik
Die kommunalen Aufgaben in Bezug auf Sicherheit und Ordnung konzentrieren sich im Wesentlichen auf bestimmte Bereiche, die auch in der kommunalwissenschaftlichen und kommunalpraktischen Literatur behandelt werden. Dazu zählen die Gefahrenabwehr, Maßnahmen der Städtebaupolitik und die Gestaltung von Rahmenbedingungen zur Kriminalprävention. In den letzten Jahren sind neue Organisationsformen kommunaler Sicherheitspolitik entstanden. Dazu gehören beispielsweise Ordnungs- und Sicherheitspartnerschaften zwischen Polizei und Stadt, kriminalpräventive Gremien und kommunale Ordnungsdienste. In den Städten wird eine breite Palette von Maßnahmen und Konzepten zur Verbesserung der Sicherheit im öffentlichen Raum eingesetzt.
In Deutschland fand der Einzug sicherheitsrelevanter Kriterien in die Planung auch über die kommunalen Gleichstellungsstellen statt. Bereits 1990 wurde eine Broschüre zu Angsträumen in Dortmund herausgegeben. Zahlreiche frauenspezifische Kriterienkataloge berücksichtigten Sicherheitsaspekte und die Vermeidung von Angsträumen. Mittlerweile sind die Kriterien eingeflossen in eine genderdifferenzierte Betrachtung (Alter, Geschlecht, Herkunft verbunden mit der Forderung nach gleichberechtigten Nutzungsmöglichkeiten), die die Wahrnehmung auf unterschiedliche Bedürfnisse einer heterogenen Bevölkerung richtet und das Sicherheitsbedürfnis der verschiedenen Nutzungsgruppen erfasst.
Von der quantitativen zur qualitativen Wohnraumversorgung
Im Bereich der Wohnungswirtschaft gewann der Aspekt der technischen und sozialen Sicherheit schon weit vor der Reform des Wohnraumförderungsgesetzes 2002 vom sozialen Wohnungsbau hin zur sozialen Wohnraumförderung an Bedeutung. Durch den damit verbundenen Paradigmenwechsel von der quantitativen zur qualitativen Wohnraumversorgung setzten immer mehr Wohnungsunternehmen auf eine Aufwertung ihrer Bestände. Mit dem Bundesprogramm „Soziale Stadt“ in den 1990er Jahren hat sich der Blickwinkel im Bereich der Stadtteil- und Quartiersentwicklung auch in Deutschland über die bis dahin zumeist im Mittelpunkt stehenden baulich-technischen Maßnahmen der „klassischen Sanierung“ hin auf soziale Themen erweitert. Seit der vom Bundesverband Deutscher Wohnungs-und Immobilienunternehmen e.V. (GdW) im Jahre 1998 als Startschuss initiierten Studie der „Überforderten Nachbarschaften“ ist dieser Diskurs im vergangenen Jahrzehnt zunehmend auch in die wohnungswirtschaftliche Debatte eingeflossen.
Viele Wohnungsunternehmen sehen sich mittlerweile nicht mehr (nur) als Verwaltende und Vermietende von Wohnungen, sondern haben, über das Wohngebäude hinaus, auch das Wohnumfeld und das Quartier als notwendiges Tätigkeitsfeld entdeckt. In diesem Zusammenhang haben auch soziale Aspekte von Sicherheit für die Unternehmen in unterschiedlichem Umfang an Bedeutung gewonnen. Während die Unternehmen aufgrund ihrer Organisations- und Qualifikationsstruktur oftmals Kenntnisse und Erfahrungen in der Bearbeitung von technischen Sicherheitsfragen besitzen, vernachlässigen sie jedoch gleichzeitig die sozialen Aspekte des Themas Sicherheit. Insbesondere größere Wohnungsunternehmen, aber auch mittelgroße Genossenschaften, haben deshalb häufig ihre Organisations- bzw. Qualifikationsstruktur um den Bereich des Sozialmanagements erweitert, um die für die Unternehmen neuen Aufgabenstellungen adäquat bearbeiten zu können. Ansätze und gute Beispiele sind in Studien im Zusammenhang mit Faktoren einer sicheren Nachbarschaft mit Wohnungsneuverbänden untersucht worden.
In der neueren Forschung werden - abgesehen von der Untersuchung technischer Lösungen (z. B. „Sicherheits-Apps“) – unter anderem Fragen wie das Vertrauen der Einzelnen in das soziale Umfeld, das Quartier, die Sicherheitskräfte sowie die Bereitschaft zu bürgerschaftlichem Engagement und verbesserte Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung (inklusive Polizei) thematisiert.