Menschenhandel - Ausbeutung von Menschen

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Was ist Menschenhandel?

"Menschenhandel ist Ausbeutung". Von Menschenhandel spricht man, wenn die persönliche Zwangslage eines Menschen ausgenutzt wird, um ihn auszubeuten – als Prostituierte oder Prostituierter, als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer, als Bettlerin oder Bettler, als Organspenderin oder Organspender oder auch als zur Straftatenbegehung gezwungene Täterin oder Täter. Der Menschenhandel ist weltweit eines der bedeutendsten Geschäfte der Organisierten Kriminalität.

Die Opfer, die sowohl aus dem Ausland als auch aus Deutschland stammen können, werden meist mit falschen Versprechungen für eine Tätigkeit angeworben, z.B. mit Arbeitsangeboten über vermeintlich vertrauensvolle Verwandte, die die Opfer aber zur Ausbeutung weitervermitteln; mit Angeboten einer gut dotierten Arbeitsstelle (Ernte, Haushalt, Au Pair); über Inserate, Agenturen oder Internet. Oftmals wird dabei die persönliche oder wirtschaftliche Notlage eines Opfers bewusst ausgenutzt, um diese in die entsprechenden Tätigkeiten zu bringen.

 

Wie agieren die Täter?

Täterinnen oder Täter des Menschenhandels arbeiten mit Beeinflussung und Bedrohung, suchen sich ihre Opfer sehr strategisch aus. Sie nutzen den kulturellen und familiären Hintergrund gezielt aus, um das Opfer zunächst anzuwerben und später gefügig zu halten. Täterinnen bzw. Täter und Opfer stehen nicht selten in einer familiären oder sozialen Beziehung.

Oft angewendet wird die "Loverboymethode". Dabei werden minderjährige Mädchen und junge Frauen aus allen Gesellschaftsschichten von sog. "Loverboys" angesprochen und ihnen wird zunächst die "große Liebe" vorgegaukelt. Die "Loverboys" geben ihnen Aufmerksamkeit, Komplimente, Zuneigung und Geschenke. Gleichzeitig machen sie die Opfer emotional abhängig und entfremden sie ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis. Später verleiten oder zwingen sie ihre Opfer zur Prostitution. Den Opfern wird vorgetäuscht, das verdiente Geld zum Aufbau einer gemeinsamen Zukunft verwenden zu wollen. Diese Opfer sind oft schwer zu erkennen, da sie sich häufig selbst nicht als Opfer wahrnehmen.

 

Wer sind die Opfer?

Überwiegend vulnerable Gruppen, die sich in persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslagen befinden und die zu diesen Tätigkeiten gezwungen werden oder diese als einzige Möglichkeit des "Geldverdienens" ansehen.

Immer mehr Menschen sind in die internationale Arbeitsmigration involviert und können dabei Opfer von struktureller, psychischer und physischer Gewalt werden. Ihre oft unsichere rechtliche und soziale Position außerhalb des Heimatlandes sowie der Druck, im Ausland ihr eigenes Leben und das ihrer Familie sichern zu müssen, werden dabei gezielt ausgenutzt.

Im Bereich Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, aber nicht nur dort, spielen weiterhin Geschlechterhierarchien und Gewalt gegen Frauen eine große Rolle. So können Migrantinnen und Migranten Betroffene von Menschenhandel und Ausbeutung werden.

Nicht selten erwarten Familien eine große finanzielle Unterstützung von Angehörigen, die in die Ferne gegangen sind, um Geld zu verdienen. Die meisten Betroffenen sind gezwungen, ein Doppelleben zu führen, d.h. die Familie weiß über ihre hiesige Tätigkeit und wirklichen Verdienst nicht Bescheid. Viele Opfer sind vor der Ausreise nicht über die harten Arbeits- und Lebensbedingungen informiert. Viele Betroffene arbeiten isoliert von der Außenwelt und können ihren Arbeitsplatz nur sehr selten verlassen. Weiterhin verhindern z. B. Mietwucher bei der Unterbringung und hohe Schulden gegenüber Menschenhändlerinnen und Menschenhändlern den erhofften Verdienst. Diese Abhängigkeiten, verbunden mit fehlenden Sprachkenntnissen und Informationen, begünstigen die Ausbeutung.

 

Sie wurden Opfer?

  • Bei akuter Bedrohung, wählen Sie 110! Die Polizei wird alles Erforderliche tun, um Sie zu schützen.
  • Zeigen Sie die Straftat bei der Polizei an. Eine Strafanzeige können Sie bei jeder Polizeidienststelle erstatten.
  • Betroffene können die Ausbeutung bei jeder Polizeidienststelle anzeigen oder sich anderen Vertrauenspersonen oder Institutionen offenbaren, in deren Begleitung dann der Weg zur Polizei erfolgt.
  • Falls Sie Verletzungen haben, lassen Sie diese medizinisch behandeln und dokumentieren!

 

Sie sollten sich von einer Ärztin oder einem Arzt oder in einem Krankenhaus behandeln lassen. Hier werden Ihre Verletzungen zugleich dokumentiert. Dieses Attest kann sowohl im Strafverfahren als auch für die Durchsetzung Ihrer Interessen (z. B. Schmerzensgeld) als Beweismittel von Bedeutung sein.

 

Sie werden bedroht?

Wenn Sie bedroht oder unter Druck gesetzt werden, melden Sie dies unbedingt der Polizei. Nur so kann die Polizei schnell geeignete Maßnahmen zu Ihrem Schutz einleiten.

Schutz durch die Polizei:

  • Gefährdungsbewertung und Verhaltensberatung
  • Gefahrenabwehrmaßnahmen
  • Adressdatenschutz

 

Rechte und Ansprüche

  • Ausländische Betroffene des Menschenhandels in Deutschland haben gem. § 59 Abs. 7 AufenthG eine Bedenkfrist von drei Monaten, um über eine Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden nachzudenken. Bei einer Kooperation ist ein Aufenthaltstitel gem. § 25 Abs. 4a AufenthG möglich, welcher auch nach Abschluss des Verfahrens noch verlängert werden kann.
  • Oft ist es sinnvoll, sich durch einen Rechtsanwalt beraten zu lassen. Er vertritt Ihre Interessen vor Gericht und darf bei Ihrer Vernehmung durch das Gericht oder der Staatsanwaltschaft anwesend sein. Allerdings ist meistens schon das erste Beratungsgespräch kostenpflichtig. Der Verein WEISSER RING bietet Opfern von Gewalt einen Beratungsscheck für das rechtsanwaltliche Erstgespräch an.
  • Als Opfer von Menschenhandel können Sie beantragen, vom Gericht einen eigenen "Opferanwalt" bestellt zu bekommen. Der Opferanwalt oder die Opferanwältin vertritt dann Ihre Interessen im Strafverfahren und vor Gericht. Folgt das Gericht Ihrem Antrag, ist die opferanwaltliche Tätigkeit für Sie kostenfrei.
  • Auf Antrag können sie als „Nebenkläger“ im Strafverfahren auftreten. Das erweitert Ihre Rechte. Sie können sich zur Nebenklage informieren.
  • Sie haben auch Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung.
  • Wer durch eine Gewalttat einen gesundheitlichen Schaden erlitten hat, kann nach dem neuen Sozialen Entschädigungsrecht Versorgung erhalten (z.B. Heil - und Krankenbehandlung, Hilfen zur beruflichen Rehabilitation, Beschädigtenrente). Die Versorgung wird nur auf Antrag gewährt. Der Antrag ist an das für den Wohnort der/des Geschädigten zuständigen Versorgungsamt zu stellen. Weitere Informationen finden Sie bei Opferentschädigung bei Opferrechten) Diese Form der Entschädigung ist nicht mit Schadenersatz oder Schmerzensgeld zu verwechseln.
  • Opferhilfeeinrichtungen stehen Ihnen während des gesamten (Straf-) Verfahrens und darüber hinaus zur Seite und unterstützen Sie in allen Bereichen.

 

Hilfe und Unterstützung

  • Von Menschenhandel Betroffene haben ein Recht auf Beratung und Unterstützung durch eine Fachberatungsstelle. Die Beratung ist immer kostenlos, anonym und unabhängig von Behörden oder anderen staatlichen Einrichtungen.
  • Psychosoziale Prozessbegleitung bei der Hauptverhandlung
  • Die Beratungsarbeit erfolgt auf freiwilliger Basis und je nach Bedarf muttersprachlich.
  • Beraterinnen und Berater unterliegen der Schweigepflicht und behandeln alle Angaben ihrer Klientinnen und Klienten vertraulich.
  • Wenn Unsicherheiten wegen einer Anzeige bestehen, können sich Betroffene zuerst bei einer der Fachberatungsstellen beraten lassen und dann gemeinsam mit einer Beraterin oder einem Berater zur Anzeigenerstattung zur Polizeidienststelle gehen.
  • Im Mittelpunkt der Beratungsarbeit stehen ausschließlich die Bedürfnisse, Interessen und Belange der Betroffenen.

 

Die Fachberatungsstellen bieten meist folgende Leistungen an:

  • Notversorgung mit Lebensmitteln, Kleidung und Hygieneartikeln
  • Krisenintervention und Erstgespräch, auch z.T. aufsuchende Arbeit
  • fortlaufende psychosoziale Beratung
  • Klärung ausländer- und sozialrechtlicher Fragen, Sicherung des Lebensunterhaltes
  • Angebot / Vermittlung von Unterbringung, medizinischer Versorgung, Therapieangeboten, Bildungsmaßnahmen und Freizeitgestaltung
  • Begleitung zu Behörden
  • Begleitung im Ermittlungs- und Strafverfahren und vor Gericht
  • Vermittlung eines juristischen Beistands
  • Unterstützung beim Aufbau von Lebensperspektiven
  • Organisation und Unterstützung bei der Ausreise und Vermittlung von Hilfsangeboten in den Herkunftsländern

 

Fachberatungsstellen und Ansprechpartner für Betroffene des Menschenhandels